Kann man schwanger werden, obwohl der Mann keinen Samenerguss hatte? Nur vom sogenannten Lusttropfen? Ja, das ist möglich.
Richtig ist zwar: Erst mit dem Samenerguss, der Ejakulation, tritt der Großteil der Spermien aus dem Penis aus. Aber schon vorher gibt der Penis kleine Mengen Flüssigkeit ab – das sogenannte Präejakulat, auch Lusttropfen genannt. Dieses enthält bei vielen Männern Spermien. Dabei ist es egal, ob der Mann kurz zuvor schon einmal einen Samenerguss hatte oder nicht.
Im Präejakulat finden sich nur relativ wenige Spermien. Doch diese können schon genügen, um dafür zu sorgen, dass du bei ungeschütztem Sex schwanger wirst. Es muss dafür nur ein einziges Spermium bis zur Eizelle gelangen.
Der Lusttropfen ist ein klares und leicht dickflüssiges Sekret, das auch Liebestropfen oder Glückstropfen genannt wird. Es stammt aus der Bulbourethraldrüse (Cowpersche Drüse), die seitlich der Harnröhre unter der Prostata liegt1.
Aber wozu produziert der männliche Körper diese Flüssigkeit schon vor dem Samenerguss? Ganz einfach: Um die Chancen zu erhöhen, dass die Frau schwanger wird. Der Lusttropfen reinigt die Harnröhre und verändert den dort herrschenden pH-Wert von einem sauren in ein basisches Milieu. Darin fühlen sich Samenzellen wohler und sind aktiver – und das wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit der Befruchtung. Zudem dient der Lusttropfen auch als natürliches Gleitmittel1.
Lusttropfen stammen zwar aus einer anderen Drüse als das Sperma, das beim Orgasmus den Penis verlässt. Aber bei vielen Männern sind darin trotzdem Spermien enthalten. Lange ging die Wissenschaft davon aus, dass im Präejakulat nur dann Spermien vorkommen, wenn der Mann zuvor bereits einen Samenerguss hatte (zum Beispiel, wenn ein Paar mehrfach hintereinander Sex hat) oder bestimmte Erkrankungen hat.
Eine im Magazin “Human Fertility” veröffentlichte amerikanische Studie ergab allerdings 2011, dass bei vielen Männern grundsätzlich Spermien im Präejakulat enthalten sind – ganz gleich, ob sie vorher bereits einen Samenerguss hatten oder nicht.
Jeder Mann ist anders – und so unterscheidet sich auch die Anzahl der Spermien, die im Ejakulat enthalten sind, von Mann zu Mann. Außerdem ist die Quantität nur ein Aspekt der ganzen Sache, ein anderer ist die Schnelligkeit der Spermien. Letztere ist für eine Befruchtung sogar entscheidender.
Bleibt noch die Frage, wann sich die Lusttropfen auf den Weg machen. Das lässt sich nicht eindeutig beantworten. Das Präejakulat wird infolge sexueller Erregung produziert. Die Bulbourethraldrüse wird aktiv, sobald der Penis erigiert ist. Lusttropfen können also schon weit vor Beginn des Liebesaktes austreten1.
Zum Beispiel beim sogenannten Coitus Interruptus, bei dem der Mann beim Sex vor dem Samenerguss seinen Penis aus der Scheide zieht. Weil Lusttropfen bereits vor dem Orgasmus produziert werden und Spermien enthalten, ist der Coitus Interruptus keine empfehlenswerte Verhütungsmethode2. Selbst wenn dein Partner es schafft, seinen Penis vor dem Samenerguss aus deiner Scheide zu ziehen – dass der Lusttropfen dabei trotzdem in deine Vagina gelangt, lässt sich kaum vermeiden.
Auch auf anderem Weg können Spermien aus dem Liebestropfen zur weiblichen Eizelle finden. Zum Beispiel, wenn dein Freund die Flüssigkeit an der Hand hat und anschließend deine Scheide berührt. Oder wenn du selbst mit dem Präejakulat in Berührung gekommen bist und dann deinem Freund hilfst, ein Kondom überzuziehen. Wascht vor dem eigentlichen Sex daher eure Hände und alle Hautstellen, die mit dem Lusttropfen in Kontakt gekommen sein könnten, wenn ihr auf Nummer sicher gehen wollt.
Ist die Verhütungspanne bereits geschehen? Dann solltet ihr euch so bald wie möglich in der Apotheke zur Pille Danach beraten lassen. Sie kann den Eisprung verschieben und eine Schwangerschaft oft verhindern. Die Wirkung der Pille Danach ist am zuverlässigsten, wenn sie so schnell wie möglich nach dem ungeschützten Sex eingenommen wird3.
1https://www.netdoktor.de/anatomie/lusttropfen/ Aufgerufen am 24.08.2020 13:44 Uhr.
2https://www.netdoktor.de/verhuetung/coitus-interruptus/ Aufgerufen am 24.08.2020 um 13:36 Uhr.
3Glasier AF et al.: Ulipristal acetate versus levonorgestrel for emergency contraception: a randomised non-inferiority trial and meta-analysis.Lancet 2010; 375: 555-562.